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Warum Hasen Eier legen

Das süße Leben auf Bromsilberpostkarten
 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte eine Ansichtskartenmanie. Weil
noch kaum jemand im Besitz einer Kamera war, um von jedem Ort der Erde
schnell einen Bildgruß zu verschicken, wie heute SMS (short message service)
und MMS (multimedia message service), war man auf Vorgefertigtes angewiesen.
Zudem wurde die Post mehrfach täglich zugestellt, die es ermöglichte, kurzfristige
Abmachungen per Postkarte zu vereinbaren.

Historischer Kontext
Die am 1.10.1869 zuerst in Österreich eingeführte «Correspondenz-Karte»
basiert auf der in Deutschland 1865 zugelassenen Drucksachenkarte (ohne
Kreuz- oder Streifband). Am 1.6.1878 wurde das Format der durch die Gründung
des Weltpostvereins 1875 in fast allen Ländern zulässigen und benutzten
Weltpostkarte standardisiert (148 x 105 mm), nachdem die amtlichen Größen
verschiedene Formate durchlaufen hatten: zu Beginn 163 x 108 mm, ab 1.7.1872
144 x 88 mm, ab 1.10.1873 140 x 90 mm. Ab 1880 gab es in der Dunkelkammer
zu verarbeitende Bromsilber-Entwicklungspapiere, die in acht bis zehn Sekunden
verarbeitet werden konnten. Sie waren rückseitig mit den wichtigsten
postalischen Parametern bedruckt. 1904 in Frankreich, 1905 in Deutschland,
1907 in Amerika wurde die Rückseite in einen Adress- und einen auch für
Wenigschreiber leicht zu füllenden Mitteilungsbereich geteilt, womit die Bildseite
rein blieb. Binnen weniger Jahre mutierten die anfänglichen Bedenken,
dass die offenen Mitteilungen auch von Unbefugten gelesen werden könnten,
geradezu ins Gegenteil: Man wollte eine auffällige, wirkungsvolle Karte, eben
nicht nur einen Informations-, sondern auch einen Werbeträger. Gerade die
fotografische Postkarte - die Bildpostkarte war offiziell seit 1885 zugelassen - war
verantwortlich für deren faszinierenden Reiz und deren Massenverbreitung.
So können die Jahre zwischen 1895 und 1920 als ‹Goldene Jahre der Ansichtskarte›
bezeichnet werden.

Eine spezielle Form der Postkarte war die Bromsilberkarte. Als echte Fotografie,
vielfach mit Anilin-Farben in Heimarbeit handkoloriert, wird sie heute als
wichtiger Teil der Fotogeschichte gesammelt. In dieser Form der schriftlichen
Mitteilung steckt viel: Hier wird in vielen tausend Serien vor allem der Jahres und
Lebenslauf aufgeschlüsselt und in Szene gesetzt. So hatte man zu jedem
persönlichen Ereignis die entsprechende Karte zur Hand. Also zu den wiederkehrenden
Feiertagen wie Neujahr, Ostern, 1. April, Pfingsten, Weihnachten,
aber auch zu den individuellen Glückwunsch- und Gedenktagen: Geburtstag,
erster Schultag, Konfirmation, Liebe, Verlobung, Tod. Pro Dessin wurden meist
6er-Serien, also ein Motiv in sechs Versionen hergestellt. Die Seriennummer
wurde mit der entsprechenden Variantennummer zumeist unter dem Verlagssigel
ins Bild eingeblendet; sie war gleichzeitig der eindeutige Bestell- und Registraturcode
in diesem frühen, geschickt rationalisierten Massenmedium.
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Vita:

Fritz Franz Vogel (*1957), Dr. phil., lebt in CH–Wädenswil. Er arbeitet seit
1992 produktiv, kooperativ und interdisziplinär in den Medien Text, Fotografie
und Buch (Herstellung und Herausgeberschaft). Forschungen, Publikationen
und Ausstellungen in den Bereichen inszenierte und dokumentarische Fotografie,
populäres und freies Theater, Alphabete und visuelle Kommunikation,
Körperbilder und Erotica. Näheres und Weiteres im Netz: www.fritzfranzvogel.ch

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